Extremismusdenken - was steckt dahinter?

Minderheitenfeindliche Einstellungen und Haltungen sind ein Problem der Mitte

Das der Extremismusklausel zugrundeliegende Extremismusdenken geht davon aus, dass demokratiefeindliche Ideologien nur bei einer Minderheit am Rande der Gesellschaft zu finden sind. Diese Minderheit gilt als extremistisch. Demnach können in der Mitte der Gesellschaft keine derartigen Ideologien, wie z.B. Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus gefunden werden. Diese Aussage steht im auffälligen Gegensatz zu den Ergebnissen aktueller wissenschaftlichen Untersuchungen.

„Wie irreführend die Verwendung des Extremismusbegriffs ist, kann man u.a. an den neuesten empirischen Befunden zum Rechtsextremismus erkennen, die diese antidemokratische Einstellung soziologisch eben nicht an den ‘extremen Rändern’ der Gesellschaft, sondern in ihrer Mitte vorgefunden haben" (Prof. Dr. Gesine Schwan). Viele Bildungsprogramme und Projekte wenden sich gerade gegen derartige antidemokratische Entwicklungen in der gesellschaftlichen Mitte. Sie werden durch dieses Extremismusdenken nicht nur ad absurdum geführt, vielmehr führt die damit verbundenen Politikansätze zu einer Verharmlosung von demokratiefeindlichen Einstellungen in der "Mitte der Gesellschaft".

Kampfbegriff Extremismus führt zu Verunsicherung

Verunsicherung schafft jedoch nicht nur das geforderte Misstrauen, sondern auch die vielfach unklare und politisch-ideologisch motivierte Definition von Extremismen. So birgt die Anti-Extremismus-Perspektive die Gefahr, dass Menschen, die sich gegen Neonazis engagieren, in die "extremistische Ecke" gestellt werden. Als Beispiel sei hier Wolfgang Thierse genannt, der sich nach aktivem Protest gegen Neonaziaufmärsche dem Vorwurf des ‚Extremismus’ oder der Förderung desgleichen ausgesetzt sah. Ein derartiges Vorgehen, unterstützt durch mediales Interesse, verunsichert viele Menschen und hält sie davon ab, sich öffentlich gegen Neonazismus zu äußern oder dagegen zu protestieren. Bekennender Antirassismus/Antifaschismus, der auf die Bekämpfung neonazistischer Aktivitäten und Strukturen und damit die Bekämpfung von dezidiert antidemokratischen Bestrebungen abzielt, ist kein Extremismus, sondern eine Form gesellschaftlich notwendiger Zivilcourage, die auf die Stärkung bzw. den Erhalt einer demokratischen Gesellschaft abzielt.

Die Gleichsetzung von Links und Rechts führt zu einer Relativierung des Neonazismus

Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Vorstellungen von Links und Rechts werden bei dem der Klausel zu Grunde gelegtem Extremismusmodell vollkommen außer Acht gelassen.

Werte wie Gleichheit, Solidarität und Toleranz, die zur Forderung nach einer Ausweitung der demokratischen und bürgerlichen Rechten führt, sollen die Demokratie stärken und möglicherweise erweitern und greifen sie in keinem Punkt an. Linke Politik setzt sich gegen Rassismus und für politisch und sozial benachteiligte Minderheiten ein. Ihre Kritik an Sozialverwerfungen wendet sich gegen den Kapitalismus oder seine Folgen, nicht jedoch gegen die Demokratie. Eine Gleichsetzung von Demokratie und Kapitalismus, wie manche sie vollziehen, um die Demokratiefeindlichkeit der politischen Linken darzustellen, ist weder nachvollziehbar noch verständlich. Rechte Ideologien sind hingegen geprägt durch Menschenverachtung und Gewalt. Demokratische Strukturen werden grundsätzlich abgelehnt und die Abschaffung dieser Staatsform gefordert. Dass sie, zur Umsetzung ihrer Ideologien, auch nicht vor äußerster Gewalt zurückschrecken, Gewalt gegen Menschen vielmehr die logische Konsequenz ihrer menschenverachtenden Ideologie darstellt, zeigen die 182 Todesoper, die seit 1990 zu verzeichnen sind (siehe Statistiken der Amadeu Antonio Stiftung).

Die auf Grundlage des Extremismusmodells erfolgte politische und mediale Gleichsetzung von Linksaktivismus und Neonazismus als demokratiefeindliche Ideologien ist nicht nur schlicht falsch, sie führt vielmehr unweigerlich zu einer Relativierung des Neonazismus.


 

 

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