Appell an den Hessischen Landtag: Entziehen Sie dem Innenministerium die Zuständigkeit

Appell an den Hessischen Landtag: Entziehen Sie dem Innenministerium die Zuständigkeit für die Förderung von Demokratieprojekten!

Stimmen Sie dem Entwurf für das neue Verfassungsschutzgesetz nicht zu!

Sehr geehrte Mitglieder des Hessischen Landtages,

anders als auf Bundesebene und in anderen Bundesländern obliegt die Zuständigkeit für die Förderung von (Bildungs-)Projekten gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen in Hessen dem Innenministerium. Aufgrund der aktuellen Vorgänge fordern wir, dem Innenministerium die Zuständigkeit zu entziehen und sie an das Kultus- oder Sozialministerium zu übertragen.

Das Hessische Kompetenzzentrum Extremismusprävention (HKE), das im Innenministerium für das Landesprogramm „Hessen aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ zuständig ist, hat für die Förderverträge ab 2018 nicht nur eine Klausel angekündigt, wonach die Bildungsträger ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterschreiben müssen. Die Projektträger sollen auch in eine anlasslose sicherheitsbehördliche Überprüfung“ einwilligen. Dabei handelt es sich um eine Anfrage beim Verfassungsschutz über die Zuverlässigkeit der Arbeiter*innen in den geförderten Projekten. Diese Überprüfung ist noch nicht einmal bei der Einstellung ins Beamtenverhältnis vorgesehen. Im Entwurf eines neuen Verfassungsschutzgesetzes für Hessen soll diese „Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen“ in den aus Landesmitteln geförderten Projekten in § 21 gesetzlich verankert werden. Hessen würde damit eine verschärfte Neuauflage der „Extremismusklausel“ verhängen, die für Fördermittel des Bundes 2011 eingeführt, aber nach nicht verstummender zivilgesellschaftlicher Kritik aus guten Gründen 2014 wieder zurückgenommen wurde. 

Autoritäre Staaten stellen ihre engagierten – und damit potentiell auch immer gegenüber dem Staat kritischen – Bürger*innen unter Verdacht. Sie wissen um die Wirkung einer Politik des Misstrauens, der personenbezogenen Ausspähung und des Einsatzes von Geheimdiensten. Auch und gerade angesichts der Tatsache, dass es erstmals einer Partei mit dezidiert nationalistischer, rassistischer und genderfeindlicher Programmatik gelungen ist, in den Bundestag einzuziehen, wirft das Vorhaben weitreichende Fragen zum demokratischen Selbstverständnis des Innenministeriums und damit der hessischen Landesregierung auf. Diese werden genährt durch die fortlaufende Behinderung der Aufklärung des NSU-Mordes in Kassel und der Rolle des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz.

Die Förderung von Demokratie(bildung) ist im Hessischen Innenministerium nicht mehr in guten Händen. Menschen und Einrichtungen, die sich für demokratische Grundüberzeugungen einsetzen –  in Opferberatungseinrichtungen, Präventionsprojekten und politischer Bildungsarbeit –, sind kein Sicherheitsrisiko. Es ist vielmehr ein Risiko für eine lebendige und kritikfähige Demokratie, sie einem derartigen Generalverdacht auszusetzen. 

Als Wissenschaftler*innen, Bildungsarbeiter*innen und politisch Engagierte, die sich einer Demokratisierung der Gesellschaft verpflichtet fühlen, halten wir die geplanten Gesetzes- und Regeländerungen für demokratiegefährdend und absolut unangemessen. Wir fordern alle Mitglieder des Hessischen Landtages und ausdrücklich auch die Abgeordneten von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und CDU als Teile der Regierungskoalition auf, den schweren Vertrauensbruch zu heilen, indem die Zuständigkeit für Demokratieprojekte an das Hessische Kultus- oder Sozialministerium übertragen wird. Wir fordern Sie ferner auf, diesen Entwurf für ein neues Verfassungsschutzgesetz abzulehnen! 

Wir bitten, auch die unten aufgelisteten Stellungnahmen betroffener Einrichtungen und Zusammenschlüsse sowie weiterer Organisationen zur Kenntnis zu nehmen.

Forum kritische politische Bildung: fkpb.akg-online.org

Kontakt: Prof. Dr. Julika Bürgin, Hochschule Darmstadt ( Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ); Prof. Dr. Andreas Eis, Universität Kassel ( Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ); Dr. PD Bettina Lösch, Universität zu Köln ( Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! )

Forschungsstelle Rechtsextremismus/Neonazismus an der Hochschule Düsseldorf: forena.de 

Kontakt: Prof. Dr. Fabian Virchow ( Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! )

Komitee für Grundrechte und Demokratie: www.grundrechtekomitee.de 

Kontakt: Dirk Vogelskamp ( Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! )

Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: www.bdwi.de

Kontakt: Torsten Bultmann ( Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ), Steffen Käthner ( Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ) - Geschäftsführung des BdWi

Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung: akg-online.org

Offener Brief vom 06.Dezember 2017

An

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag 

CDU-Fraktion im Hessischen Landtag 

SPD-Fraktion im Hessischen Landtag

Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag

FDP-Fraktion im Hessischen Landtag

sowie die interessierte Öffentlichkeit 

Extremismusklausel 4.0 in Hessen im November 2017

Die Hessische Landesregierung (die Fraktionen CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) nimmt im Dezember 2017 mit dem „Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen“eine Extremismusklausel 4.0 in Angriff.

 

Darin werden u.a. die Bedingungen der Mittelvergabe für Projekte im Rahmen des Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ tiefgreifend verändert.

 

Demnach sollen Personen, die in der Präventionsarbeit, der politischen Bildung, der Beratung von Angehörigen und der Intervention in den Themenfeldern Demokratieförderung, Rechtsextremismus und Islamismus „auf ihre Zuverlässigkeit überprüft werden.“ Willigen diese Personen nicht ein, ist keine Beschäftigung möglich.

Anfang November kam es zur ersten Lesung.

http://www.gruene-hessen.de/landtag/files/2017/10/HSVG.pdf

Im darin enthaltenen §21 ist die „Überprüfung der Zuverlässigkeit von Personen" formuliert. Dies betrifft:
"aa) die in mit Landesmitteln geförderten Beratungsstellen zur Prävention und Intervention gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen oder in mit Landesmitteln geförderten Projekten eingesetzt sind oder eingesetzt werden sollen,
bb) die als Mitwirkende in beratenden Gremien zur Prävention und Intervention gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen tätig sind oder tätig werden sollen,
mit deren Einwilligung“ (vgl. S. 17)".
Das Land Hessen fordert zudem „Sicherheitsüberprüfungen“ und die Aufnahme von Extremismusklauseln in Förder- und Arbeitsverträge der Rechtsextremismusprävention und -intervention.

Wir dokumentieren hier einige Protestschreiben betroffener Träger aus Hessen und deren Dachverbände sowie einige Pressemeldungen dazu. Nachfolgend ein Interview aus der Frankfurter Rundschau, vom 06.12.2017

Bernd Overwien, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für politische Bildung, lehnt die von der hessischen Landesregierung geplante „Extremismusklausel“ ab. Im FR-Interview erläutert er, warum.

http://www.fr.de/rhein-main/verfassungsschutz-in-hessen-ein-klarer-misstrauensbeweis-a-1402220

Änderungen der Extremismusklausel durch das Bundesfamilienministerium unbefriedigend

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD) und die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAGKR) äußern sich in einer gemeinsamen Erklärung zu der am Freitag bekannt gewordenen Änderung der Extremismusklausel des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

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NDC begrüßt die Abschaffung der „Demokratieerklärung“ in den Bundesprogrammen zur Demokratieförderung

Dresden, 6.2.2014. 

Bundesfamilienministerin Maunela Schwesig (SPD) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) einigten sich vergangene Woche zum Umgang mit der „Demokratieerklärung“ in den vom Bund geförderten Demokratie-Programmen „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“, „Zusammenhalt durch Teilhabe“ und „Initiative Demokratie stärken“. Künftig müssen Vereine, Verbände und Initiativen, deren Vorhaben und Projekte durch die Programme finanziert werden, kein schriftliches Bekenntnis zur "freiheitlich-demokratischen-Grundordnung“ abgeben sowie sich gegen extremistische Bestrebungen aussprechen. Mit diesem Schritt endet eine jahrelange Auseinandersetzung zwischen Zivilgesellschaft und Bundesregierung, die sich auch in Gerichtsprozessen ausdrückte. Das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) engagiert sich bundesweit für Demokratieförderung und gegen Diskriminierung und war von der  Regelung betroffen.

Andreas Stäbe, Bundesgeschäftsführer des NDC dazu: „Wir begrüßen die Entscheidung von Frau Schwesig und Herrn de Maizière und freuen uns über das wiederkehrende Vertrauen und die Anerkennung der Bundesregierung in die Arbeit der Verbände und Vereine, die sich seit vielen Jahren für den Auf- und den Ausbau der Demokratie engagieren.“ Die Einführung der „Demokratieerklärung“ durch die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) führte auch zu einer Schwächung der Bündnisse und Koalitionen im Kampf gegen Neonazismus und menschenverachtende Ideologien, beispielsweise indem einige Vereine und Verbände die Erklärung mittrugen und andere sich für eine Ablehnung entschieden. „Menschenverachtende Einstellungen und diskriminierendes Handeln sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Das Engagement für eine offene, demokratische Gesellschaft betrifft alle und muss als gesamtgesellschaftliche Aufgaben gesehen werden. Eine Spaltung der AkteurInnen in „gute“ und „schlechte“ DemokratInnen ist weder hilfreich noch zielführend“, so Stäbe weiter.


Während die Erklärung auf Bundesebene abgeschafft wurde, bleibt sie im Bundesland Sachsen weiter bestehen. Sachsen hatte als einziges Bundesland eine entsprechende Formulierung in sein Landes-Demokratieprogramm „Weltoffenes Sachsen“ aufgenommen. „In Sachsen müssen neben Verbänden und Vereinen ebenso freiwillig Engagierte, die beispielsweise unsere Projekttage an Schulen durchführen, eine solche Erklärung auch nach der Entscheidung im Bund abgeben. Wir hoffen auf Einsicht der Landesregierung und wünschen uns auch für Sachsen, den Verzicht auf die Erklärung durch Verbände, Vereine und Freiwillige“, sagt Stäbe.


Gern stehen wir Ihnen für weitere Nachfragen und Interviewanfragen zur Verfügung. Ab dem 7.2.2014 finden Sie diese Mitteilung und weitere Infos zum Thema auf unserer Interentseite: www.netzwerk-courage.de


Netzwerk für Demokratie und Courage e.V. (NDC)

Bundesgeschäftsstelle / Overhead

Herrn Benjamin Winkler

Könneritzstr. 5

01067 Dresden

Tel. 0174/1638935 (nicht zur Veröffentlichung bestimmt)

E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Internet: www.netzwerk-courage.de

Facebook: facebook.com/ndcev


Kommentar zur schriftlichen Urteilsbegründung der AKuBiZ-Klage

Schriftliches Gerichtsurteil – hinter Formalitäten verschwindet der Inhalt

…so könnte es zumindest einem Laien beim Lesen des schriftlichen Urteils des Verwaltungsgerichtes Dresden im Falle der Klage von AKuBiZ e.V. gehen.

Das Ergebnis ist denn auch leider nicht die Ablehnung der Extremismusklausel in Gänze, wie in einem wohl zu optimistischen Bericht, vom 25.04.12, auf unserer Plattform getitelt stand. Das schriftliche Urteil liegt seit dem 25.06.2012 vor.

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